Grande Tour, Tourismus, Sport und Souvenirs

Grande Tour

Die ersten Reisenden im Berner Oberland entstammten den adeligen und aristokratischen Oberschichten, vorwiegend aus England. Sie waren jung, gebildet, begütert und verfügten über eine gewisse Zeitautonomie. In der Zeit zwischen dem Abschluss ihrer Ausbildung und dem Antritt der beruflichen Karriere pflegten sie eine zwei- bis dreijährige Bildungsreise, die "Grand Tour" anzutreten, die sie mit fremden Kulturen bekanntmachte. Die englischen Adeligen reisten üblicherweise von London nach Paris und von dort aus nach Italien mit Aufenthalten in Genua, Mailand, Florenz, Venedig und Rom. Die Rückreise verlief über die Schweiz, Deutschland und die Niederlande. Vor 1700 wurde meist die Route von Genf über den Grossen St. Bernhard nach Turin gewählt, die Alpen galten damals als Ort des Schreckens und Quelle von Naturgefahren. Dies änderte sich im 18. Jahrhundert, als der Erlebniswert der wilden und unberührten Natur entdeckt wurde. Faszinierende Gedichte, Bilder und Reisebeschreibungen lenkten die Gebildeten auf die Naturschönheiten des Berner Oberlandes und der Innerschweiz. Albrecht von Haller stellte in seinem Gedicht "Die Alpen" (1732) die kraftvoll-reine Natur- und Menschenwelt des Hochgebirges der verweichlichenden Unnatur der Zivilisation gegenüber. Jean-Jacques Rousseau begeisterte in seiner "Nouvelle Héloise" (1764) zivilisationsmüde Europäer für das Erlebnis der Einsamkeit in der Alpenwelt. Haller, Goethe und Lord Byron esangen den majestätischen Staubbachfall im Lauterbrunnental. Byrons "Manfred" spielte in der Burg Unspunnen bei Interlaken, was die Engländer in Scharen zu der Ruine lockte.
Glocken und Schatullen
Die beiden Grindelwaldgletscher,die damals noch bis ins Tal hinunter reichten, wurden in der zweiten 18. Jahrhunderthälfte durch Beschreibungen aus der Feder von Naturwissenschaftern und durch werbewirksame Bilddarstellungen, angefangen von den Ölgemälden bedeutender Künstler wie Caspar Wolf, Gabriel Lory (Vater und Sohn) und Samuel Birmann als Naturerlebnis in ganz Europa bekannt. Die Gletscher gehörten zusammen mit dem Staubbach zu den meistbesuchten Stationen.
Glocken und Schatullen



Handwerk

Anfangs des 19. Jahrhunderts lebten die Einheimischen vorwiegend von der Landwirtschaft und waren Selbstversorger. Alle wichtigsten Lebensbedürfnisse, auch die Kleidung, wurden dort durch eigene Produktion gedeckt, die Barausgaben waren niedrig, die Nahrung einfach, die Kleidung von grösster Dauerhaftigkeit, handwerkliche Tätigkeit wurde verachtet, jeder Hausvater war sein eigener Schreiner, Drechsler und Wagner, eine sorgfältige Ausbildung war nicht möglich und wurde nicht angestrebt. Daran änderte sich in den Tälern bis zum Gründerzeitalter des Tourismus in der Belle Epoque wenig. Im Frutigtal stellte die Bevölkerung zu Hungerlöhnen Zündhölzer und Spanschachteln her. Mit der einsetzenden touristischen Nachfrage entwickelten sich in Brienz die Holzschnitzerei und die Seiden- weberei, im Lauterbrunnental die Spitzenklöpplerei zu Erwerbszweigen von einiger Bedeutung, und in Heimberg blühte die Töpferei auf, die dort um 1730 Fuss gefasst hatte. Zunächst wurde Gebrauchsgeschirr hergestellt. In den 1870er Jahren gingen die Heimarbeiter zur arbeitsintensiveren Fertigung von Kunstgeschirr mit eigenwilligen Formen und reichen Verzierungen über, das an der Pariser Weltausstellung von 1878 Aufsehen erregte und als Majolika von Fremden in zunehmendem Masse als Souvenir gekauft wurde. So wurde die Souvenir-Produktion ein bedeutendes Gewerbe für die einheimische Bevölkerung. Diese Entwicklung startete, als die Weinproduktion um den Thunersee herum zurück ging und das Heimberger Tongeschirr wegen dem aufkommenden robusteren Porzellan nicht mehr gefragt war. Die Produktion von Kunsttöpferei, Veduten-Malerei und Holzschnitzerei brachte neue Einkommensquellen für viele lokale Leute.


Tourismus

Die 1805 und 1808 veranstalteten Hirten- und Älplerfeste am Fusse der Ruine Unspunnen lockten so viele Engländer an, dass Interlaken zeitweise einer englischen Kolonie glich. Hotels und Herbergen gab es noch nicht, so dass die meisten Hausbesitzer den Heuböden übernachtenten, um unbekannten Gästen ihre Nachtlager gegen gutes Geld zu überlassen. 1806 richtete Grossrat Johann Seiler, ein Kaufmann und Uhrmacher aus Bönigen, den ersten Gasthof ein. 1860 wurden bereits 13 Pensionen gezählt. Ausserhalb von Interlaken bestanden in dieser Zeit erst wenige Übernachtingsmöglichkeiten. Sir Henry Lunn besass schon mehrere Hotels in der Schweiz, als er im Reisegeschäft aktiv wurde. 1893 gründete er die "Co-operative Educational Tours" in London. 1855 organisierte Thomas Cook seine erste Reise von England zum Kontinent, jedoch verlor er noch Geld damit. In dem er den Eisenbahnfirmen Massentourismus versprach, gelang es ihm, preisgünstige Reisen nach dem Kontinent zu offerieren. Damit erfand er den organisierten Tourismus, wie wir ihn heute noch kennen. 1868 führte seine erste Reise in die Schweiz. Die Reiserouten folgten der Route der "Grande Tour", welche Englische Adelsleute im späten 17. und im 18. Jahrhundert bereisten. Er besuchte mit mit einer grossen Zahl Reisender Orte wie Genf, Chamonix, Leukerbad, Gemmi, Interlaken, Lauterbrunnen und Grindelwald. Thomas Cook brachte Mittelklasse Touristen zu Orten, die bisher nur von der Oberschicht besucht wurden. Dadurch veränderte sich die Schweiz zusehends, den alles was die Engländer wünschten, wurde durch die geschäftstüchtigen Schweizer in Angriff genommen, produziert und gebaut: Roast Beef, Hotels, Tennisplätze, richtige sanitarische Einrichtungen (keine Plumpsklosetts) und Englische Kirchen. Die Schweiz wandelte sich vom Reiseabenteuer zum Reisevergnügen mit dem dramatischen Ausblick auf die Berge.


Sport

Die Reisenden brachten auch ihre Freizeitvergnügen auf den Reisen mit in die Schweiz, die sie während ihrem Aufenthalt nicht missen wollten. So kamen Tennis, Curling, Skifahren und Schlitteln zu uns in die Schweiz. Sportarten, die bei uns zuvor wenig bekannt waren. Auf der anderen Seite pflegten die Einheimischen in England unbekannte "Sportarten", wie sie an Älplerfesten durchgeführt wurden. Die von Schultheiss Niklaus Friedrich von Mülinen 1805 und 1808 veranstalteten Hirten- und Älplerfeste lockte soviele Engländer an, dass Interlaken fast einer englischen Kolonie glich. Sir Henry Lunn besass schon mehrere Hotels in der Schweiz, als er im Reisegeschäft aktiv wurde. 1893 gründete er die "Co-operative Educational Tours" in London. Sein Sohn Arnold Lunn hatte schon früher Kontakt mit der Schweiz. Das Land wurde zur lebenslangen Liebe, welches seine zweite Heimat wurde. Sir Arnold begann im Alter von 10 Ski zu fahren und bestieg den ersten Berg mit seiem Kindermädchen in Jahr 1895.
Glocken und Schatullen
Im Jahr 1922 steckte er auf den Übungshängen von Mürren den ersten modernen Slalom aus. Auch war er der Gründer des "English Public Schools Alpine Ski Club" in London (1908) und des Kandahar Ski Club (1924) in Mürren. Lunn selber machte so die Schweiz als Wintersportressorts populär, insbesondere Orte wie Klosters, Mürren und Wengen.


Souvenirs

Touristen versuchten damals wie heute, ihre Reisen nach einem fremden Land mit Gegenständen als Souvenirs unvergesslich zu machen. Zuerst kauften sie verziehrte Gebrauchsgegenstände. Die Nachfrage war so gross, dass daraus eine handwerkliche Souvenir-Produktion als bedeutendes Gewerbe für die einheimische Bevölkerung entstand. Die wichtigsten Souvenirs und ihre Herkunft Frutigtal: Spanschachteln Brienz: Holzschnitzerei und die Seidenweberei Lauterbrunnental Spitzenklöpplerei Heimberg: Töpferei Thun: Vedutenmaler


Verkehrsmittel

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlief die Hauptroute der adeligen Bildungsreisen über Dijon-Lausanne-Bern ins Oberland und von dort aus über den Brünig in die Innerschweiz und ber den Gotthard nach Italien. Übernachtungsmöglichkeiten wurden den Gästen zunächst nur in den Pfarrhäusern geboten, Bergler boten sich als Wirte, Bergführer oder Träger an, um ihr Einkommen aufzubessern. Reisehandbücher und -beschreibungen berichteten über Land und Leute und machten die Anlaufstellen bekannt. Der übliche Weg ins östliche Oberland führte von Thun aus in kursmässigen Post- oder Marktschiffen oder in kleinen, von Männern und von Frauen geruderten Booten über den See. Diese Bootsfahrten waren von den 1770er Jahren an immer stärker gefragt. Die Gebrüder Knechtenhofer, führten 1835 mit dem Dampfschiff "Bellevue" das erste Massenverkehrsmittel ein: Es verkürzte die Reisezeit von Thun nach Neuhaus am oberen See-Ende auf 1 1/4 Stunden. Vier Jahre später setzte der Brienzer Hotelier Gottlieb Matti ein Dampfschiff auf dem Brienzersee ein. 1842 entstand die Vereinigte Schiffahrtsgesellschaft für den Thuner- und Brienzersee, welche ihrerseits 70 Jahre später mit der Thunerseebahn zusammenspannte.
Glocken und Schatullen
Die beiden Seen waren nicht nur lange die Hauptverkehrsader, sondern wurden auch zur touristischen Attraktionen der Gegend. Interlaken und Unterseen wurden immer mehr zum Absteigeort. 1860 wurden bereits 13 Pensionen gezählt. Mit der Technikbegeisterung zu Beginn der «Belle Epoque» begannen sich auch die Täler des Berner Oberlandes zu öffnen. Der gemächliche Kutschereibetrieb vermochte den Ansprüchen nach speditiver, angenehmer und kalkulierbarer Fortbewegung immer weniger zu entsprechen. So wurde eine erste Eisenbahn gebaut, die Touristen über den Brünig brachte. Gebaut wurde eine Schmalspurbahn mit gemischtem Adhäsions- und Zahnstangenbetrieb, die zunächst nur den Alpnachersee mit dem Brienzersee verband. Von da an führte die Reise nach Luzern respektive nach Interlaken über die Seen. 1888 wurde der Betrieb aufgenommen. Damit waren die beiden bedeutendsten Touristengebiete der Schweiz, das östliche Berner Oberland und die Innerschweiz, mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden. Von Westen her wurde Interlaken 1893 mit der Eröffnung des Teilstücks Scherzligen-Därligen direkt ans normalspurige Schienennetz angekoppelt. Die Verkehrserschliessung des Bödelis, die seit der Eröffnung der Dampfschiffahrt 1835 auf dem Thunersee in kleinen stetigen Schritten vorangetrieben worden war, fand damit ihren Abschluss. Der Ausbau des Strassennetzes in die Lütschinentäler, eine Notstandsmassnahme des frühen 19. Jahrhunderts, zahlte sich in der Belle Epoque aus. Trotz Reisezeiten von 2 bis 3 Stunden und horrenden Preisen liessen sich schon in den 1870er Jahren immer mehr Feriengäste per Kutsche von Interlaken aus nach Lauterbrunnen oder Grindelwald fahren, um die atemberaubende Schönheit der Bergwelt zu bestaunen. In den frühen 1870er Jahren brach an schönen Sommertagen jeweils eine Kolonne von bis zu 500 Kutschen von Interlaken aus in die Täler auf. Eine vom Gletscherpfarrer Gottfried Strasser im Sommer 1887 angeordnete Verkehrszählung erfasste 55 000 Reisende ins Lauterbrunnental und fast 40 000 nach Grindelwald. Damit erschien der Bau einer Bahn lohnend. Ein eigentliches Bahnbaufieber brach aus. Neben der Talbahn nach Lauterbrunnen standen gleichzeitig ein Konzessionsgesuch für die Heimwehfluh und die Schynige Platte an. Doch Stand die Bevölkerung des Amtsbezirks Interlaken keineswegs geschlossen hinter den Bahnprojekten. Stimmen aus Kreisen des Natur- und Heimatschutzes befürchteten eine Verschandelung der Bergwelt, und das Kutschergewerbe bangte um eine Existenz. Schliesslich setzten sich die Befürworter durch. Am 1. Juli 1890 nahmen die Berner- Oberland-Bahnen (BOB) den Betrieb auf.
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Dann überstürzte sich die Entwicklung. Innert drei Jahren wurden neue Linien im Hinblick auf den Anschluss ans europäische Schienennetz gebaut. Weitere Bahnen nahmen den Betrieb auf. Sie führten von Lauterbrunnen aus nach Mürren (1891), von Wilderswil aus auf die Schynige Platte (1893), von Brienz auf das Brienzer Rothorn (1892), von Lauterbrunnen aus nach Wengen und von dort sowie von Grindelwald aus auf die Kleine Scheidegg (1893). Die Frequenzen der Wengernalpbahn verdoppelten sich bis zur Jahrhundertwende. Von Mürren aus skizzierte der Zürcher Industrielle Adolf Guyer-Zeller 1893 in seinem Tagebuch den möglichen Verlauf einer Gebirgsbahn auf die Jungfrau. Sein kühner Plan sollte zwei Jahrzehnte später in modifizierter Form verwirklicht werden. 1906 wurde die Drahtseilbahn auf die Heimwehfluh, 1908 jene auf den Harder, 1912 jene von Mürren auf den Allmendhubel eröffnet. Beatenberg wurde in ähnlicher Weise wie die Lütschinentäler von Interlaken aus erschlossen. Die ersten Fremden, welche den Berg erklommen, hatten wie in Grindelwald und in Lauterbrunnen zunächst beim Pfarrer zu übernachten. 1861-1865 liess die Gemeinde mit einem regierungsrätlichen Darlehen eine Strassenverbindung nach Interlaken erstellen, auf welcher dann der Zubringerverkehr mit Kutschen aufgenommen wurde. 1889 wurde auf Initiative des Oberhofner Baumeisters Johann Frutiger zudem eine mit Wassertanks betriebene Standseilbahn nach Merligen eröffnet, welche die Zufahrt von Westen her verkürzte, nachdem eine ähnliche Bahn bereits 1879 von der Anlegestelle der Dampfschiffe in Giessbach hinauf zum gleichnamigen Hotel mit seinen bengalisch beleuchteten Wasserfällen gebaut worden war.
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Bahnprojekte, die keine touristischen Anziehungspunkte erschlossen, blieben länger schubladisiert. Einzig die Stichbahn von Spiez nach Erlenbach, die zunächst vorwiegend der Ausfuhr von Zuchtvieh diente, wurde auf gewerblichen Interessen begründet. Die konjunkturelle Aufschwung, den der Tourismus nach 1890 brachte, veränderte die Situation grundlegend. Innerhalb weniger Jahre erhöhten sich die Steuereinnahmen so rasch, dass eine ausreichende Finanzierung für allgemeine Eisenbahnprojekte zur regionalen Erschliesssung zur Verfügung stand. Damit konnte gegen die Jahrhundertwende hin das Netz rasch erwitert und verfeinert werden.